Nachgedacht Mai 2024

Geist­li­cher Impuls von Tho­mas Hilsberg

Monats­spruch Mai 2024

Quel­le: ekiba_amd

Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.

Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.

(Pau­lus im 1. Korin­ther­brief, 6, 12; Lutherübers.)

„Alles ist mir erlaubt!“ Vier Kapi­tel wei­ter wie­der­holt Pau­lus die­se Aus­sa­ge noch­mal (1. Kor. 10, 23). Und wei­tet sie dabei ins All­ge­mei­ne aus: „Alles ist erlaubt“. Das erin­nert schon an sehr an die welt­an­schau­li­che Kon­kur­renz. „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.“ So for­mu­liert es die Cha­os­ma­gie. Und Aleis­ter Crow­ley, ein berüch­tig­ter Okkul­tist, schrieb: „Tu, was du willst. Dies soll das gan­ze Gesetz sein“.

Doch mit sol­chen Gesel­len hat Pau­lus nichts zu tun. Über­haupt ist unklar, wie er das hier meint. Alles ist erlaubt. Gibt Pau­lus damit sei­ne eige­ne Mei­nung wie­der? Oder zitiert er hier sei­ne Geg­ner, um das gleich ein­zu­gren­zen? Wie dem auch sei, fra­gen wir zuerst nach dem Zusam­men­hang. Alles ist mir erlaubt. Hier geht es gar nicht um ethi­sche Fra­gen im All­ge­mei­nen. Hier geht es an bei­den Stel­len tat­säch­lich ums Essen.

Gute Nach­richt also für alle Diät­geg­ner? Jeden­falls gilt das gegen­über den Spei­se­ge­bo­ten im Alten Tes­ta­ment. Schon Petrus hat­te ja gelernt: Schlach­te und iss! Was Gott rein gemacht hat, nen­ne du nicht ver­bo­ten! Seit­dem ist auf jeden Fall die badi­sche Küche legi­tim. Schäu­fe­le, Kalbs­ge­schnet­zel­tes in Mor­chel­rahm­so­ße, Schne­cken­süpp­le gar, — alles ver­bo­ten im Alten Bund. (Schwein, Fleisch in Milch zube­rei­tet, krie­chen­des Getier!) Jetzt gilt hier­zu­lan­de nur noch: En Gue­te! Und auch unser Mit­christ in Neu­gui­nea darf sich freu­en. Kein Gesetz spricht mehr gegen sei­ne lecke­ren Käfer­lar­ven (außen kna­ckig, innen cre­mig). Alles erlaubt!

Aber hier geht es um ein noch viel spe­zi­el­le­res Pro­blem. Pau­lus beant­wor­tet an die­ser Stel­le die Fra­ge: Dür­fen wir als Chris­ten Göt­zen­op­fer­fleisch essen? Das war im römi­schen Reich näm­lich ein ech­tes Pro­blem. Das Fleisch auf dem Markt stamm­te oft aus Opfer­fei­ern. Die­se Kalbs­len­de kommt aus dem Zeus­tem­pel. Und die­se Gän­se­brust hat mal der Venus gehört. Die­ses Wis­sen konn­te man­chen Chris­ten glatt den Appe­tit verderben.

Doch Pau­lus kann sie beru­hi­gen: Haut rein! Alles erlaubt! Aber das grenzt er gleich wie­der ein: Nicht alles dient zum Guten. Und nichts soll Macht haben über mich. Und die letz­te Gren­ze ist die Nächs­ten­lie­be. Wenn neben mir ein ängst­li­cher Mit­christ sitzt, neh­me ich Rück­sicht. Dann ver­zich­te ich auf das göt­zen­op­fer­ver­däch­ti­ge Steak. Dann gilt mal nicht „Alles ist erlaubt“. Dann hal­te ich mich lie­ber an die vege­ta­ri­sche Sättigungsbeilage.

Auf dem Apos­tel­kon­zil hat­te man ja eben­so argu­men­tiert. Für Chris­ten gilt seit­her prin­zi­pi­ell: Alles ist erlaubt. Aber die Lie­be geht vor. Dar­um gilt: Wir neh­men Rück­sicht auf die jüdisch gepräg­ten Geschwis­ter. Las­sen also beim Schwä­bi­schen Wurst­sa­lat die Blut­wurst weg. Ent­spre­chen­des gilt beim Göt­zen­op­fer­fleisch. Wir neh­men Rück­sicht auf die Schwa­chen im Glauben.

Schön und gut. Aber uns betrifft das alles doch gar nicht mehr. Unser Kote­lett kommt nicht aus dem Tem­pel. Es kommt vom Metz­ger unse­res Ver­trau­ens. Oder aus der Groß­schlach­te­rei des Dis­coun­ters. Auf jeden Fall aus ziem­lich pro­fa­ner Quel­le. Da soll­te doch völ­lig unein­ge­schränkt gel­ten: Mir ist alles erlaubt.

Trotz­dem gilt wei­ter­hin: Aber nicht alles dient zum Guten. Natür­lich darf ich mei­nen Kai­ser­stüh­ler dank­bar genie­ßen. Aber wenn der Arzt beim Durch­se­hen mei­ner Labor­wer­te durch die Zäh­ne pfeift? Dann soll­te ich zumin­dest über die Quan­ti­tät nach­den­ken. Das gilt natür­lich nicht nur für den Alko­hol. Fett, Zucker, Salz, Fast­food und ande­res sind nicht gut für mich. Sie gefähr­den zwar nicht mein ewi­ges Leben. Das hängt allein an Chris­tus. Aber die­se Pro­duk­te kön­nen das zeit­li­che Leben erheb­lich verkürzen.

Nicht alles dient zum Guten. Der Sur­vi­val­ex­per­te Rüdi­ger Neh­berg pfleg­te zu sagen: „Man kann alles essen. Man­che Din­ge aber nur ein­mal.“ Doch Vor­sicht! Hier geht es nicht nur um mei­ne eige­ne Gesund­heit. Natür­lich sol­len wir bei allem drü­ber nach­den­ken: Was hat das für Fol­gen für ande­re? Direk­te oder indi­rek­te, sozia­le, wirt­schaft­li­che oder öko­lo­gi­sche? So viel Rück­sicht gebie­tet die Liebe.

Und die ande­re Ein­schrän­kung: Nichts soll Macht haben über mich. Noch deut­li­cher an die­ser Stel­le die alte Luther­über­set­zung: Nichts soll mich gefan­gen neh­men. Treibt mich am Mor­gen schon die Fra­ge um: Ist noch genü­gend Bier im Kühl­schrank? Dann ist mei­ne Frei­heit bereits in Gefahr. Eine rich­ti­ge Sucht­er­kran­kung ist übel. Eine psy­chi­sche Abhän­gig­keit eben­falls. Wenn Chris­tus mein Herr ist, bin ich frei. Die­se Frei­heit will ich nicht ver­lie­ren. Nicht an das Geld, nicht an ande­re Men­schen, nicht an den Alko­hol. Oder an ande­re Din­ge, die mir seit dem 1. April erlaubt sind. Und auch hier gilt: Es geht nicht nur um mich. Die Lie­be hat auch den ande­ren im Blick. Ein küh­les Kris­tall­wei­zen wäre jetzt schön. Und es ist mir erlaubt, kei­ne Fra­ge. Aber der Mann neben mir am Tisch hat da Pro­ble­me. Er ist tro­cke­ner Alko­ho­li­ker. Und er muss manch­mal ganz schön kämp­fen. Ich will ihn nicht in Schwie­rig­kei­ten brin­gen. Dar­um bestel­le ich mir jetzt ein Mine­ral­was­ser. Mir ist alles erlaubt. Aber müs­sen tu ich gar nichts!

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